Angst vor dem Augenverlust

17. Dezember 2024
Bild: Pixabay

Darstellung des Themas

Im Rahmen des Deutschunterrichts haben wir verschiedene Deutungshypothesen zum Text «Der Sandmann» von E.T.A. Hoffmann besprochen. Zu den angesprochenen Themen gehörten unter anderem die Augen. Die Augen sind ein Motiv, welches Hoffmann in der Geschichte immer wieder einbaut. Über das Motiv der Augen hat Sigmund Freud in seinem Aufsatz «Das Unheimliche» geschrieben. Diesen Aufsatz von Freud haben wir auch im Unterricht besprochen. Freud beschreibt das Unheimliche allgemein als etwas, das vertraut erscheint aber gleichzeitig auch fremd wirkt. In der Geschichte von Nathanael ist nach Freud das Unheimliche die Angst vor dem Augenverlust. Die Verletzung der Augen sei die meistgefürchtete Organverletzung, behauptet Freud. Er vergleicht die Angst vor dem Augenverlust mit der Kastrationsangst. Nathanael leidet an der Angst, von seinem Vater kastriert zu werden. Dazu muss man noch sagen, dass Freud Nathanaels Vater und Coppelius als zwei Teile vom wirklichen Vater ansieht. Coppelius, der böse Vater, droht mit der Kastration. Der gute Vater versucht Nathanaels Augen zu schützen und Coppelius zu stoppen. Ein solches Väterpaar kommt später in der Geschichte noch einmal vor. Der Professor Spalanzani und Coppola arbeiten zusammen an der Puppe Olympia wie früher Nathanaels Vater und Coppelius am Herd arbeiteten. Spalanzani wird in der Geschichte auch Olympias Vater genannt und so haben er und der Vater Nathanaels eine weitere Gemeinsamkeit. Der Vater Nathanaels ist also wie Spalanzani ein Vater. Genauso wie Spalanzani und Coppola mit Olympia versuchen auch Nathanaels Vater und Coppelius, einen künstlichen Menschen zu bauen. Zudem war für Freud klar, dass Coppelius, Coppola und der Sandmann identisch sind. Über die Idee von künstlichen Menschen haben wir auch im Deutschunterricht gesprochen. In seinen Aufsatz «das Unheimliche» schreibt Freud weiter über Nathanaels Liebe zu Olympia. Nathanaels Liebe zu Olympia sei eine narzisstische gewesen. Nathanael beachtet nur seine Wünsche und Bedürfnisse und idealisiert Olympia, bis sie für ihn perfekt erscheint.

Vergleich mit der heutigen Zeit

Freuds Theorie zu dem zweigeteilten Vater wird interessant in Bezug auf die Vergangenheit des Autors. E.T.A. Hoffmanns Vater trennte sich bereits früh von seiner Familie und deshalb ist die Beziehung von Sohn zu Vater eine wunde Stelle in Hoffmanns Leben. Der Vater von Nathanael und die Beziehung von Vater und Sohn spielt in der Geschichte eine wichtige Rolle. Ein Punkt, der in Bezug auf die heutige Zeit interessant wird, ist der künstliche Mensch Olympia. In der heutigen Welt spielen künstliche Menschen in Form von KI oder Robotern eine wichtige Rolle. Zur Zeit von Hoffmann bestand bereits die Idee von künstlichen Menschen und dieses Thema spricht Hoffman in «Der Sandmann» mit Olympia an. Freud vergleicht Nathanaels Angst vor dem Augenverlust mit der Kastrationsangst. Die Augen stehen hier jedoch nicht nur für das Organ, sondern auch für Kontrolle seines eigenen Lebens. Bei der Kastrationsangst hat jemand also Angst vor dem Verlust der Kontrolle. Freuds Konzept der Kastrationsangst kann man auch in der heutigen Zeit wiedererkennen. Die immer höhere Zahl an Überwachungskameras und die Gesichtserkennungstechnologie bei verschiedenen Geräten können ein Gefühl der Beobachtung auslösen. Dieses beobachtet werden kann ein Gefühl des Kontrollverlustes auslösen. Dies könnte als eine moderne Form der Kastrationsangst betrachtet werden. Hier kommt auch wieder das im ersten Absatz erwähnte Motiv der Augen vor. Diesmal aber nicht direkt als Augen, sondern als das Beobachtet werden von Kameras. Ein weiteres Beispiel für moderne Kastrationsangst die Angst vor dem Kontrollverlust aufgrund der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Künstliche Intelligenz kann immer mehr Aufgaben übernehmen, die früher Menschen gemacht haben. Dadurch können Arbeitsplätze verloren gehen und es entstehen Ängste vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes und so auch vor der Kontrolle des eigenen Lebens. An der modernen Form der Kastrationsangst, wie sie Freud beschreibt, und am Thema der künstlichen Menschen sieht man, dass Hoffmann in «Der Sandmann» zeitlose Themen anspricht. Diese Themen sind auch in der heutigen Welt aktuell.

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Quellen